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ÖBB und Senioren - eine sehr einseitige Partnerschaft

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ÖBB-SeniorenkampagneEs war einer der einprägsamsten Fernseh-werbespots, in dem die mittlerweile verstorbene Ruth Drexel für die ÖBB quer durch Österreich fuhr. Sympathisch steigt die rüstige „Resi Berghammer“ voller Elan in den Zug und freut sich über den günstigen Preis, den die ÖBB für Senioren bereithalten. In der Werbung. Doch wie sieht es in der Wirklichkeit aus?

ÖBB-anerkannter Senior ist man erst nach Einreichen eines Antrages auf Ausstellung einer ÖBB-Seniorenkarte und der Bezahlung von „günstigen“ 26,90 Euro, erst dann hat man Anspruch auf Vergünstigung. Doch wie sieht diese aus? Fahren Sie einmal von Gänserndorf nach Deutsch Wagram: Um nicht erst am Bahnhof eine Karte lösen zu müssen, könnten Sie ein Online-Ticket kaufen: Vollpreis für die 13 km Strecke 3,60 Euro, Vorteilskarten­inhaber zahlen die Hälfte, also 1,80 Euro. Toll gespart, nicht?

ÖBB-Seniorenkampagne

ÖBB-Seniorenkampagne

Wirkliche Freude kommt Senioren beim Bahnfahren nicht auf.
Foto: Screenshot Werbefilm ÖBB-Seniorenkampagne

Gehen Sie aber zum Bahnhofs-Schalter oder zum Verkaufsautomaten, so erhalten Sie das VOR-Ticket, den entsprechenden Vollpreis-Fahrschein des Verkehrsverbundes Ostregion, um ebenfalls genau 1,80 Euro. Wollen Sie von Gänserndorf aus aber beispielsweise im Lorenz-Böhler Unfallspital einen Patienten besuchen, so sollten Sie als Vollzahler ebenfalls das VOR-Ticket (Vollpreis: 3,60 Euro) wählen, nicht das der ÖBB (Vollpreis: 5,40 Euro für 29 Tarifkilometer).

ÖBB-Abzocke

Wie bezeichnet man das: Abzocke der Unwissenden? Strafgeld für jene, die ihre Karte rechtzeitig und ohne langes Anstellen (z.B. am Montagmorgen, wenn massenhaft die Wochentickets gekauft werden) erwerben wollen? Besonders pikant ist dazu noch, dass die ÖBB für alle diese Fahrten freundlicherweise im Internet auch 1.-Klasse-Tickets anbietet (z.B. Gänserndorf - Deutsch Wagram um 6,30 Euro Vollpreis oder 3,20 Euro für Vorteilskarteninhaber), aber keinen entsprechenden Zug mit erster Klasse-Abteil anbieten kann.

Der VOR bietet Senioren die Jahreskarte zum halben Preis an (ohne Zusatzkosten wie eine eigene „Senioren-Berechtigungskarte), ähnliches vermisst man bei den ÖBB , nur fürs gesamte österreichische Schienennetz kann man für 1.260 Euro (2. Klasse) oder 1.750 Euro (1. Klasse) die ÖSTERREICHCard Senior ewerben. Ersparnis gegenüber dem regulären Tarif: weniger als 30 Prozent.

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Aber vielleicht könnte ja wenigstens jemand generelle „Halbpreiskarten“ für Einzelfahrten im Vorverkauf anbieten? Wien-Stadtgrenze - Gänserndorf (19 km) kostet nämlich als VOR-Vollpreis 3,60 Euro, mit Seniorenkarte 1,80 Euro. Darf man da also eine „Halbpreis-Streifenkarte benützen? NEIN! Sollten Sie mit so einer „Halbpreiskarte“ erwischt werden, so gelten Sie - trotz Bezahlung des korrekten Betrages(!) - als „nicht im Besitze einer gültigen Fahrkarte“, also als „Schwarzfahrer“, mit allen Konsequenzen: Strafzahlung von 65 Euro gleich oder 95 Euro per Erlagschein. (So passiert einer gehbehinderten über 80-jährigen Dame, die einen hilfsbereiten Jugendlichen gebeten hatte, ihr ein Ticket am Automaten zu lösen. Name der Redaktion bekannt. Der daraufhin am Zielbahnhof vom Abholer befragte Schaffner gab dazu als Kommentar: „Wer zu blöd ist, den Automaten selbst richtig zu bedienen, soll eben zu Hause bleiben!“) Simpler Grund: Die VOR-Halbpreiskarten gelten nur für Kinder, Hunde und Fahrräder.

Tarif-Dschungel

Können Sie wenigstens einige Senioren-Fahrkarten der ÖBB im Vorhinein kaufen (lassen, wenn Sie selbst nicht voll mobil oder eingeschränkt „Computer-fähig“ sind)? Damit die Oma ihre Enkel ohne unerwünschte Zusatzkommentare nach Laune besuchen fahren kann? NUR dann, wenn Sie den Tag des jeweiligen Fahrtantritts schon beim Kauf wissen und die jeweilige Karte auf dieses Datum ausstellen lassen. Sehr praktisch! Warum macht man es den Senioren besonders schwer, eine gültige Fahrkarte zu erwerben?

Keine Senioren-Tickets vom Wiener Stadtrand weg

Fahrkartenautomat

Fahrkartenautomat

Fahrkartenautomaten spucken nicht immer die Tickets
Aus, die der Kunde gerne kaufen würde.
Foto: Linzer / Wikimedia

Wenn Sie einmal versuchen, am Bahnhof Landstraße/Wien Mitte beim Wechsel von der U-Bahn zur Schnellbahn ein Seniorenticket „vom Stadtrand weg“ zu kaufen, werden Sie enttäuscht sein: Die Automaten beim Aufgang von der U-Bahn zu den ÖBB-Bahnsteigen tragen zwar stolz die Aufschrift „VOR-Karten“, sind aber keine ÖBB-Kartenautomaten und können daher (außer Streifenkarten) keine Tickets für Ziele außerhalb Wiens verkaufen. Sehr sinnvoll am direkten Zugang zur Bahn! Wenn Sie dann - innerhalb des Gültigkeitsbereiches ihre Kernzonenkarte! - einen Zugbegleiter (Schaffner) um das Ausstellen einer Karte vom Stadtrand weg ersuchen, so darf er das laut Anweisung der ÖBB nicht. Sie werden gezwungen, den Zug, der Ihr Fahrtziel ansteuert, zu verlassen, an einem nächsten Bahnhof einen ÖBB-Ticketautomaten zu suchen und dort zu kaufen.

Sparen kostet Geld

Wer nun meint, in diesem Falle biete sich ein Handy-Ticket an, der hat hoffentlich ein A1-Handy. Sollte er, wie viele Senioren, die relativ wenig „Handyphonieren“, nur ein Wertkartenhandy oder gar eines von einem Diskontanbieter besitzen, so muss er erstens im Vorhinein einen Vertrag mit dem ÖBB-Partner Paybox schließen und weitere 19 Euro dafür bezahlen. Wenn man dann noch den Lichtbildausweis nicht mit hat, so ist auch das Handyticket nicht gültig - die Seniorenkarte allein reicht nicht als Ausweis.

Damit man sich also für die Fahrt von der Stadtgrenze Wien bis zum 19 km entfernten Gänserndorf als Senior 1,80 Euro sparen darf, muss man dafür erst mal bis zu 35,90 Euro der ÖBB zahlen!

Gesundheitsgefährdende Wartebänke

Wenn Sie dann auf den nächsten Zug warten, dann setzten Sie sich aber bitte nicht auf die einladend angebrachten Sitzgelegenheiten: Es besteht die große Gefahr, dass Sie da festfrieren. Die selbst offenbar ausschließlich mit Dienstwagen und Chauffeur mobilen Bundesbahndirektoren haben nämlich entschieden, die kälteverträglichen Holzbänke durch (selbst im Sommer eiskalte) Metallmöbel ersetzen zu lassen - sehr zur Freude der Urologen und Hämorrhoidenfachärzte. Wenn Sie nicht einen ordentlichen Stapel Gratiszeitungen als Isolationsschicht vorfinden, sollten Sie diese Sitze unbedingt meiden, ebenso die neuen gläsernen Wartehäuschen, zwischen deren Scheiben absichtlich zentimeterbreite Abstände klaffen, um ordentliche Zugluft zu gewährleisten.

Statt endlich wirklich in Kundenfreundlichkeit zu investieren, erkauft die ÖBB lieber mit immensen Inseratenkosten das Wohlwollen der Gratiszeitungen, die beinahe halbe Ausgaben mit Jubelberichten, beispielsweise über einen sündteuren Aussichtsturm am Bahnhofs­neubaugelände, füllen und sich jeder Kritik an diesen allgemein kundenfeindlichen und speziell seniorenfeindlichen Zuständen enthalten.

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Reise
Kurztitel: 
ÖBB: Einseitige Seniorenpartnerschaft

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